Surfskating mit 9 Patenten?
Text: Alexander Lenz
Fotos: Matthias Lochner, Beate Grötsch, Rosina Neuerer
Surfskating mit 9 Patenten? Klingt erstmal gut, so eine Headline. Aber wieso schon wieder ein Bericht über Surfskating? Hatten wir nicht erst eine Sonderausgabe zu dem Thema? Gibt der Stoff so viel her? Ist es nicht bloß Skateboarding mit wackeligen Achsen? Wir haben unzählige Gespräche mit Shops, Herstellern und Fahrern über das Surfskaten geführt. Auch die verschiedenen Achsen und Decks wurden hierbei immer wieder in die rhetorische Mangel genommen.
Jeder hat seine eigene Philosophie, wenn es um die Nähe zum Surfen oder die verschiedenen Styles geht. Mein persönliches Lieblingszitat stammt von Iban, einem der Geschäftsfüher der spanischen Distributionsfirma HLC, die die Eigenmarken YOW und Long Island herstellt.
„Hola Cabron, ich schlafe, gehe zur Arbeit, Skate ein
wenig oder surfe, dann esse ich. Genieße das Leben.
Für diese ganzen Diskussionen fehlt mir die Zeit”
Surfskating – 9 Patente?
Aber zurück auf Anfang. Mein Telefon zeigt eine Benachrichtigung von Whatsapp an. Rhet von „Smoothstar” kontaktiert mich. Das ist eine australische Firma, die etwa um 2004 einen Surfskateadapter für das Skateboard entwickelte. Dieser ähnelt dem YOW Adapter. Down Under sind sie eine ganz große Nummer, in Europa dagegen eher in der zweiten Linie der führenden Hersteller zu finden. Dies hat natürlich geographische Gründe.

Es liegt aber auch an der konsequenten Vertriebspolitik der Aussies. Der Vertrieb läuft ausschließlich über Surfshops. Eine der Ausnahmen in Deutschland: „Lassrollen” aus Berlin, der als einer der wenigen Skateshops weltweit Smoothstar verkauft. Für Rhet haben seine Rollbretter bis auf die Gemeinsamkeit der vier Rollen, des Decks und des Griptapes nichts mit Skateboarding zu tun.
Wiederholt wies er mich darauf hin: Smoothstar sind reine Surftrainingsboards – keine Skateboards
Deshalb hat sich seine Firma auf Surfshops fokussiert. Allerdings sind das Repräsentanten einer Branche, der es in Deutschland im Grunde noch schlechter geht, als den Skateshops. Hinzu kommt, dass hierzulande Surfshops, wie wir sie aus Spanien oder Frankreich kennen, selten zu finden sind. Deutsche Küsten werden eher selten von surfbaren Wellen heimgesucht…
Der Hauptgrund, warum „Smoothstar” in Deutschland nicht so durchstartet, wie es „YOW” oder „Slide” derzeit tun, ist aber sicherlich in der Verweigerung Richtung Skaterszene zu finden. Somit sondert sich „Smoothstar” von der großen Community der Longboarder und Skateboarder ab.
Ähnlich, wie es zum Beginn des Longboardbooms einige Streetskatefirmen in Bezug auf Longboarding getan haben. Geholfen hat es weder den Skateboardern noch den Longboardern. Es schürte nur ein Konkurrenzdenken, was unangebracht war.
Doch was genau unterscheidet „Smoothstar” von „YOW”, von „Carver”, von „Slide”, „Swelltech” und all den anderen? Am Ende reden wir von einem Deck mit vier Rollen und einer beweglichen Vorderachse. Ist

Der wichtigste Punkt des Marketing von Smoothstar ist das Pochen auf die Nische des Surftrainings, die längst keine mehr ist. Die Verfahrensweise der Australier nötigt dennoch Respekt ab. Sie waren monatelang in Europa unterwegs und haben ihr Surftraining durchgezogen.
Kostenlos und ohne direkt Bretter zu verkaufen. Es war eher ein Bestellen des Feldes. Das bei diesen Schulungen teilweise ein- zweihundert Skater vor Ort waren, ist großartig. Es gab den Vorwurf, dass in diesen Workshops nur mit Boards des australischen Brands gefahren werden durfte.
Die Objektivität verlangt Aufklärung, denn das kann man so nicht stehen lassen. Versicherungstechnisch war es nämlich die sauberste Lösung. Wenn jemand in einem Workshop verunglückt, weil er sich mit seinem 30 Euro Plagiat überschlägt, dann ist der Bock fett.
Auch die Kosten dieser Veranstaltungen müssen gedeckt werden, wobei hier wahrscheinlich auf Onlineverkäufe gehofft wurde. Denn viele Teilnehmer bekamen sicherlich Lust auf weitere Runden mit dem Surfskateboard.
Es ist absehbar, dass ein großer Anteil davon, Surfskateboards anderer Marken kauft, denn die australischen Boards sind schwer zu bekommen.
Doch welche Alternativen gibt es?

Und genau hier scheiden sich die Geister. Die Einteilung der Boards geschieht relativ subjektiv. Die einen versuchen, mit dem Argument „Anfängerboards” zu punkten. Verkäufer erzählen was von „billigen” und „teuren” Boards. Ein kleiner elitärer Kreis behauptet, nur mit diesem oder jenem Brett bist du ein Surfer oder die Qualtität wäre aus diesem oder jenem Grund besser als beim Mitbewerber.
Der kauft ja ohnehin nur eine Kopie des Originals. Wie auch immer man derartige Aussagen wertet, es gibt keine Anfängerboards und kein Anrecht auf die Titulierung „Surfer”.
Surfen hat wenig mit dem Können zu tun. Es ist ein Lebensgefühl. Die Werte sind andere, deshalb ist es ist egal, ob Du jetzt drei Meter in Lacanau oder dreißig Zentimeter auf Sylt surfst. Es geht um Freiheit und Spaß.
Die Meinung, dass man zu einem Surfer wird, wenn man sich ein Skateboard dieser oder jener Marke kauft, kann natürlich jeder vertreten. Er soll aber den Leuten nicht auf den Sack gehen, die mehr Wassertage haben als er. Technisch gesehen sind alle verfügbaren Markensurfskateboards auch als Surfskate nutzbar.

Die einen liefern saubere Druckwellen, die anderen hingegen gefühlt nur ein leichtes Plätschern. Der Markt ist leider voll von billigen Kopien, doch auch hierbei handelt es sich nicht um jene Boards, die viele so gerne und oft als Anfängerboards beschreiben werden.
Es gibt günstige und es gibt billige Boards. Was mich wiederum extrem an die Anfangszeit des Longboardbooms erinnert, als man „Jucker Hawaii” zum Feindbild erhob, weil deren Boards 30-40% günstiger waren, wie vergleichbare Markenboards.
Der Vertrieb aus Hennef zählte in Wahrheit zu den besseren Vertretern eines Genres, das ein bis zwei Jahre später den Markt überflutete. 2014 scherzte man noch darüber, dass Boards irgendwann im Supermarkt für 39 Euro erhältlich sein würden.
Das Lachen blieb den meisten 2016 im Hals stecken. In Sachen Shapes und Qualität der Decks gibt es bei den „wirklichen” Surfskatebrands keine gravierenden Unterschiede. Die Tatsache, dass man ein Surfskatedeck „entwickelt” hat, ist kein Alleinstellungsmerkmal, denn die Unterschiede zu anderen Herstellern sind marginal.
Die Surfskatesyteme
Sieben Lagen Ahorn, Kicktail, breites, kurzes Deck und leichte Konkave. Fertig ist das Surfskateboard. Es gibt auch einige Hersteller, die identische Shapes mit Fiberglas bauen. Ob ein teures Deck für die Performance relevant ist, können wir nicht bestätigen aber auch nicht verneinen. Die Betrachtung des technischen Aspekts – nehmen wir die Achsen einmal als Referenz – lässt allerdings keine andere Aussage zu, als dass derzeit 8-10 verschiedene Systeme existieren.

YOW Surfskating
Smoothstar
Waterborne
Carver CX
Carver C7
Slide Surfskateboards
SWELLTECH Surfskating –
Curfboard Surfskating –
Bangfish Surfskating –
Dies sind die Trucks, die derzeit bei anerkannten Surfskateboardmarken mit einem Alleinstellungsmerkmal zur Verfügung stehen. Andere Hersteller bauen ihre Produktion auf diesen auf. Jedes der genannten Achssysteme, mit Ausnahme von Curfboard ist Opfer von Plagiaten geworden.
Interessant ist sicherlich der Vergleich zwischen YOW, Waterborne und Smoothstar. Während Smoothstar eine längliche Feder im System verbaut hat, installiert der spanische Hersteller YOW eine Runde. Waterborne werden durch Bushings angetrieben, nicht durch Federn.
Das Design von Carver CX Achsen findet man derzeit unter Dutzenden von Boards. Hierbei handelt es sich um eine RKP Achse, mit verändertem Winkel, die über Lenkgummis verfügt. Für das Wort Imitation gibt es übrigens rund 33 Synonyme, von denen mir etwa knapp ein Drittel Post vom Anwalt bescheren würde (und auch schon mehrfach angedroht wurde).
Und einige dieser nachbauten sind optisch sehr nahe am Original. Nur wenige Firmen lassen Moulds anfertigen. Das Gros greift auf fertige Formen zurück und presst maximal noch einen fancy Namen ins Metall.
Auch eher schwierig zu kopierende Produkte wie Slide oder die Carver C7 findet man unter anderen Namen, wenn auch in nicht vergleichbarer Qualtität. Der Grund ist in den Fabriken zu finden, die die Achsen bauen. Dem einen oder anderen Fabrikanten scheint eine Gussform abhanden gekommen zu sein, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Das Phänomen wird sich in den nächsten Jahren vervielfachen, denn der potentiell große Markt lockt die Geldhaie an.
Diese hatten bereits vor ein paar Jahren erfolglos versucht, aus dem neuen Trend Kapital zu schlagen, um nach den verhaltenen Verkäufen ihre Produktionen schnell wieder zu Geld zu machen und dieses Geld in Elektroscooter, Mikrowellen oder andere lukrativere Bereiche zu investieren.
Das beste Produkt dieser Masse an Kopien ist dann das, bei der der Hersteller nochmal zwei Dollar für einen leistungsfähigeren Bushing ausgegeben hat. Alle anderen sind gleichgeschaltet oder fallen in der Leistung stark ab.
Denn eine Akzeptanz in der Surfskateszene zu erreichen, ist nicht einfach. Beim Surfskaten spürt man buchstäblich die Erfahrung der Produzenten. Eine Anekdote von einer großen Sportmesse zeigt, wie der Hase läuft bzw. humpelt. Wir erhielten Muster eines chinesischen Herstellers und nahmen die erfreut mit nach Hause. Ein Teil ging zu verschiedenen Teammitgliedern. Nach einer Weile bekamen wir erste Mails. Board zerbrochen, Achse gebrochen etc.
Also stellten wir uns auf eines der Boards und waren leicht irritiert. Die Achsen waren verkehrt herum montiert und sorgten für ein Einlenken in die falsche Richtung. Kann im Messestress passieren. Hab ich auch schon geschafft. Doch als die Achsen dann richtig herum geschraubt waren, stellten wir fest, dass sich nichts an der Leistung änderte. Die Firma hatte die Boards exakt nach dem Vorbild einer kalifornischen Marke gebaut.

Optisch kein Unterschied. Um es plastisch zu beschreiben: Es war wie Lebensmittelfotografie. Schön anzusehen, doch wenn du in die angerichteten Leckereien reinbeißt, merkst Du: Das ist nicht frisch und der Ketchup ist ein roter Farbklecks. So ist es auch bei vielen dieser Boards. Die meisten sehen perfekt aus, doch die Hersteller haben noch nie ein Skateboard unter den Füßen gehabt und entsprechend keine Ahnung von dem, was sie da eigentlich fabrizieren. Das Ergebnis:
Unfahrbare Surfskateboards
Wenn diese Boards nicht grade in den sozialen Netzwerken niedergemacht werden, werden sie komplett ignoriert. Im schlimmsten Fall schaffen sie es sogar irgendwie in den Ausverkauf bei den großen anonymen Onlineshops. Mit Besorgnis erkennen wir, wie die Marketingmaschine der Vertriebsfirmen erneut anrollt. Da werden einfach ein paar gut aussehende Mädels auf die Boards gestellt und ein wenig „California Dreamin” in die Filme und Fotos gemixt. Das Werbebudget ist scheinbar unendlich, denn man wittert das große Geld. Doch auch hier kommt die Performance zum Tragen.
Es reicht nur für eine kleine Delle im gesunden Surfskatemarkt. Sobald die Kunden den Braten riechen, wirkt es sich auf die Absätze aus und die Boards werden einfach nicht mehr verkauft. Hinzu kommt, dass der Markt so klein und nischenhaft ist, dass schlechte Boards direkt in der Luft zerrissen werden. Im Gegensatz zum Longboard oder Scooter, machen sich Unterschiede in der Performance sehr stark bemerkbar.
Waren es bei den Longboards die Qualität der Rollen, der Decks und der Bushings, die auffielen, so kommt bei Surfskateboards auch noch die vordere Achse hinzu. Wir reden von Firmen, die es nicht geregelt bekommen, anständige Rollen unter die Boards zu montieren. Die Härte der Lenkgummis wird tatsächlich nach der Farbe der Grafiken auf dem Deck ausgesucht.
„Das Deck hat eine rote Grafik. Wir brauchen rote Bushings. Da sind nur noch welche in 100a? Egal, sieht gut aus“
unbekannter Hersteller
Fazit: DIE Surfskateachse oder DAS Surfskatebrand gibt es nicht. Alle haben ihre Vor- und Nachteile, die auch die Hersteller selber kennen und kaum einen Hehl daraus machen. Die einzige Möglichkeit, den Unterschied herauszufinden, ist ein Test aller Systeme. Die Anzahl der im Umlauf befindlichen Boards könnte Klarheit über den Marktführer geben. De facto war dies 2014 noch Carver aus den USA. Mittlerweile scheinen diese Zeiten vorbei, andere Firmen buhlen nun ebenfalls um den Platz an der Sonne. Zumindestens international ist einiges in Bewegung geraten.
In Australien spielt Carver zum Beispiel keine Rolle. In den USA sind dagegen die vielen überfüllten Longboardracks gegen Surfskateboards von Carver ausgetauscht worden. In Europa halten sich die Verkaufszahlen der Surfskatebrands die Waage. Carver, Yow und Slide dürften auf den ersten Plätzen zu finden sein. Aber eigentlich ist es egal, welche Marke ihr fahrt.
Hauptsache ihr habt Spaß.
Und unser Wunsch für 2023 ist es, gemeinsam eine Szene zu entwickeln, die Bestand hat. Hierzu braucht es die Mithilfe aller Brands und Rider.